Drohen Wing-Verbote?
Die schöne neue Welt des Wingens. Hier loopt Balz Müller beim GWA Wingfoil World Cup in Leucate.

Drohen Wing-Verbote?

Wings sehen Kites ziemlich ähnlich. Einige Ordnungshüter sehen das anscheinend als Anlass, das Wingen dem Kiten gleichzustellen.

Wer auch immer Gesetze verfasst, hat eine schwierige Aufgabe. Möglichst viel muss mit möglichst wenig Text geregelt werden. Besonders schwierig wird es dann, wenn etwas reguliert werden soll, was es noch gar nicht gab, als die Gesetze verfasst wurden.

Je mehr Wingfoiler sich auf Gewässern vergnügen, desto mehr rücken sie natürlich auch in den Fokus von Gesetzeshütern. Diese Menschen haben eine recht undankbare Aufgabe. Sie müssen einen neuen Sport irgendwie in bestehende Gesetze einordnen.

Nun sieht ein Wing einem Kite ziemlich ähnlich und damit fängt die Sache langsam an ungemütlich zu werden. Denn Kiten ist an sehr vielen Spots verboten.

So kann man beispielsweise in der Sächsischen Schifffahrtsverordnung, die für viele Gewässer in Sachsen gilt, im Paragraf 7 folgendes lesen:

Das Schleppen von Flugkörpern wie Flugdrachen, Drachenfallschirmen und ähnlichen Geräten, Kite-Surfing sowie Wasserskilaufen ist verboten.

Ein Knackpunkt ist hier die Interpretation des für Sachsen geltenden Textes. Eine Interpretationsmöglichkeit ist, dass ein "Schleppen" Leinen oder ein Seil zwingend notwendig macht. Eine andere Interpretationsweise ist, dass auch Arme einen "Flugkörper" "schleppen" können.

Die Frage, die wir uns stellen, ist, ob es in diesem Gesetz des Bundeslandes Sachsen nicht eigentlich um den Gefahrenradius gehen müsste. Lange, dünne, stark gespannte Kiteleinen bergen in sich selbst eine Gefahr und das in einem großen Radius. Das von den Armen gehaltene Wing wird nah am Körper geführt und wird außerdem von einer relativ kurzen, ungefährlichen Sicherungsleine gesichert. Das Gefahrenpotential des Wings entspricht nach unserer Auffassung in keiner Weise dem Kite beim klassischen Kitesurfen.

Die Interpretationsmöglichkeiten haben aber trotzdem in Sachsen bereits laut diverser Quellen dafür gesorgt, dass Bußgelder angedroht bzw. Bußgelder ausgesprochen wurden. Hier suchen wir noch Personen, die tatsächlich ein Bußgeld bezahlen mussten und tatsächlich einen entsprechenden Bußgeldbescheid haben (bitte bei uns in der Redaktion melden, Link zum Impressum im Footer).

Jörgen Vogt ist Secretary General der in Hamburg ansässigen Global Wingsports Association und außerdem Jurist. Er sieht das Wingen dem Windsurfen untergeordnet und begründet das unter anderem damit, dass der Deutsche Seglerverband (DSV) das Wingfoilen unter den Klassenrechten der Windsurfer regelt. Außerdem nennt Vogt den durch das Fehlen von Leinen wesentlich geringeren Gefahrenradius.

Weiterhin führt Vogt an: "Die Industrie hat aufgrund der Verschiedenheit des Wingfoilens zum Kiten einen eigenen Verband mit eigenen Weltmeisterschaften gegründet und das Wingfoilen nicht unter das Kitesurfen subsumiert."

Diese Einschätzung ist natürlich schön für die Wingfoiler, aber was heißt das in der Praxis? Hier schlägt Vogt einen Weg vor, der sicher vielen Nicht-Juristen etwas schwer fallen wird. Er sieht es dringend geboten, gegen Bußgeldbescheide Widerspruch einzulegen. Sollte der Bescheid im Widerspruchsverfahren Bestand haben, sieht er darin einen Anlass zur Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Die Beispiele aus Sachsen zeigen, dass die optische Nähe von Wingen und Kiten auch in anderen (Bundes-)Ländern problematisch werden kann. Es bleibt die Frage, ob das Thema nicht auch außergerichtlich geregelt werden kann.

04.06.2021 © WING DAILY  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: GWA / Samuel Cardenas