Philipp Kümpels Erlebnisse bei den Open European Wingfoil Championships 2022

Schwimmend zum Sieg?

Ein Bericht von Philipp Kümpel zu den Open European Wingfoil Championships 2022, die vom 18. bis 22. Oktober im Rahmen des Wingfoil Racing World Cup in Campione am Gardasee ausgetragen wurden.

Die verbotene Frucht ist meist die begehrteste und das ist für Wassersportler in Sachsen natürlich das Foilen. Foilen jeder Art ist in Sachsen auf allen Gewässern verboten und doch liebe ich es leider sehr, besonders mit meinem Wing. Das Verbot ist natürlich die beste Voraussetzung, um Europameister in dieser Disziplin zu werden.

Vielleicht steht dem Titel noch ein ganz kleinwenig mein Alter und der Nichtprofi-Status entgegen, aber wie war das mit den Dingen die unerreichbar scheinen - die will man ganz besonders.

Wingfoilen in Campione del Garda

Also den Bus beladen - hey, anders als bei der Reise zu Windsurfregatten ist da ja noch viel Platz. Man braucht ja nur ein Board, drei Wings und einen Foil mit ein paar Frontflügeln, das reicht beim Wingen für einen Titel. Das Ziel ist natürlich das Mekka aller Windsportler: der Gardasee. Neun Stunden Fahrt und man ist im Heiligen Land.

Die Location ist nicht Torbole, seit Jahren das Zentrum der Windsurfer, sondern Campione. Der kleine Ort ist gar nicht so leicht zu finden. Es liegt in der Mitte des Gardasees gegenüber von Malcesine. Die Ausfahrt innerhalb eines Tunnels ist so schwer zu finden, wie ein Wingrevier in Sachsen. X mal habe ich sie verfehlt, doch dann erreichte ich diese kleine Landzunge im Gardasee.

Das Hotel Univela Campione am Gardasee

Hier ist nicht viel - eine Kirche, ein kleines Restaurant, ein kleiner Surfshop, eine Kite- und Wingschule sowie das auf Segelevents jeder Art spezialisierte Hotel Univela Campione. Mit riesigem Kran zum Slippen großer Segelboote und großer Wiese zum Aufriggen.

Das Hotel hat was von einem Hostel, hier sind fast ausschließlich Segler und andere Windsportler untergebracht. Ich war hier schon bei mehreren Events. Es gibt GPS-gestützte Tonnen, viele Motorboote für die Unterstützung der Regatten und Sachverstand.

Das Wichtigste aber ist natürlich Wind. Gibt es den hier? Der Vormittagswind kommt eigentlich jeden Tag, Sommer wie Winter, gegen 9 Uhr und bleibt meist bis 12 Uhr, dann Pause. Gegen Nachmittag dreht der Wind um 180 Grad und kommt ab 15 Uhr aus der anderen Richtung. Im Herbst und Winter funktioniert diese Windsystem nicht ganz so toll wie im Sommer, aber der Vormittagswind sollte absolut reichen für fünf Wettbewerbstage.

Materialschlacht auf der großen Wiese

Es waren 52 internationale Winger am Start und über ein Dutzend weibliche Pilotinnen. Leider ist es wie beim Boxen, es gibt mehrere Wing-Verbände. Die tragen unterschiedliche Meisterschaften aus und so dürfen manche Fahrer bei bestimmten Events nicht antreten. Das ist Politik und diese nervt natürlich die Fahrer selbst, aber sie müssen sich zum Teil den Interessen der Industrie beugen.

Es gab Starter aus den USA und vielen europäischen Ländern. Stark vertreten die Italiener und wie immer die Franzosen. Aus Deutschland waren Benjamin May, Gunnar Marc Biniasch und meine Wenigkeit am Start.

Der erste Renntag sollte dem Eingruppieren in drei Fleets dienen. Dazu wurde ein Long Distance Race mit Motorbootstart wie beim Defi angesetzt. Das ist ja genau mein Ding. Einmal quer über den See, um eine kleine Insel und dann zurück.

Wingfoil Racing World Cup 2022

Ein spektakulärer Massenstart, wenn das nur der Ministerpräsident aus Sachsen sehen könnte. Es gab kein Blutbad. Überhaupt hat sich niemand in dieser Woche verletzt. Die Top Winger waren mit ihren Kitefrontflügeln und Miniboards derart schnell, Wahnsinn.

Ich lag im hinteren Feld, aber fühlte mich gut. Natürlich werden diese Rennen mit Trapez gefahren, da sonst bei diesen Strecken die Arme zu lang werden. Auf der Mitte des Sees ein Riesenknall. Ich fliege ins Wasser. Was war passiert? Mein Wing ist komplett explodiert.

Philipp Kümpel in Seenot

Ich nehme an, das der Wing im Sommer viel zu lange in der Sonne gelegen hatte oder meine Luftpumpe nicht den richtigen Druck angezeigt hat. Tja, da schwamm ich nun. Genau in der Mitte des Sees.

Ziemlicher Wellengang, was tun? Ich lege mich auf das Board und beginne zu paddeln. Zum Glück habe ich den 5mm Neo an. Die Begleitboote scheinen mich einfach nicht zu sehen. Ich treibe immer weiter von der Regatta weg. Ich winke das Notsignal mit meinem weißen Lycra. Niemand sieht mich. Nun gebe ich meinen Wing auf, er bremst mich nur. Doch schnell werden meine Arme schlapp. Was tun?

Ich habe absolut keine Ahnung. Bei dem Wind werde ich sehr lange auf dem See treiben und selbst wenn ich irgendwo an das Ufer gelange, sind da viele Felssteilküsten. Immer wieder paddle ich ein Stück. Dann kommt ein Winger vorbei, er ruft mir zu, dass er Hilfe holen wird. Leider passiert nix. Ein Kiter kommt, auch er verspricht Hilfe. Nix passiert. Die Regattacrew scheint zu sehr das Feld zu überwachen. Das kann ja ein langer Tag im Wasser werden.

Ich werde schwächer, das merke ich. Nach weiteren zwei Stunden kommt ein Boot. Die Crew meint, sie hätte mitten im See einen Wing gefunden. Es war meiner. Ich komme kaum die Treppen zum Boot rauf, meine Beine zittern.

Das Aus bei der Wingfoil Europameisterschaft

Leider war der defekte Wing mit 5qm genau die Größe, die hier für die Rennen gefragt war und so war die Europameisterschaft an dieser Stelle mich vorbei. Künftig werde ich immer zwei Wings dieser Größe dabeihaben... und wohl auch ein Handy.

Die Europameisterschaft lief für die anderen beiden deutschen Fahrer ansonsten gut. Es wurden jeden Tag andere Kurse gefahren und der Wind meinte es wie so oft gut mit dem Veranstalter. Benjamin May, der ja eigentlich vom Freestylen kommt, lag am Ende auf einem guten 10. Platz. Von Benjamin wird man in den nächsten Jahren sicher noch viel hören, ein Top-Talent. Gunnar Marc Biniasch landete auf Rang 13. Der Mann ist mit seinem Alter in absoluter Form. Leider gab es keine deutschen Starterinnen. Wo sind sie gewesen?

Ein bleibendes Wingfoil Erlebnis am Gardasee

Gewonnen hat Francesco Capuzzo, sein Vater hat übrigens auch viele Stunden schwimmend im See verbracht, weil bei ihm ein Ventil geplatzt war. Bei den Damen gewann Paula Novotna. Die vollständigen Ergebnisse findet ihr hier: wingfoilracing.com/2022worldcupitaly

Das Niveau der Fahrer und Fahrerinnen ist extrem hoch. Die eingesetzten Frontflügel der Foils sind sehr klein, die Wings entwickeln sich sehr stark weiter in Richtung Speed. Sachsen sollte aufpassen, sonst werde ich nie Europameister.

Wir klagen übrigens gegen das Foilverbot! Wer uns helfen will, kann es hier tun, jeder Beitrag hilft: Link zur Spendenaktion

31.10.2022 © WING DAILY  |  Text: Philipp Kümpel  |  Fotos/Grafiken: Philipp Kümpel