Das Glühen der Korona

Das Glühen der Korona

Wingsurfen ausprobiert am Cospudener See

Philipp Kümpel schnappte sich den Naish Wing-Surfer samt passendem Foilsurfboard und begab sich auf die Spuren des Ikarus.

Nein, es ist nicht das verlorene C von Korona was so glüht, auch nicht die Hitze der Korona der Sonne, es sind meine Arme, meine Beine, die sich anfühlen, wie nach einem heftigen Workout.

In fast allen Ländern der Welt ist an Windsurfen derzeit nicht zu denken. Mein Sohn, der Youtuber Surferzyzz, sitzt seit Monaten in Tarifa, schaut auf’s Meer, sieht die Schaumkronen und leider auch die Polizei, die jeden vom Strand verscheucht. So sieht es rund um den Globus aus. Schlechte Zeiten für unseren Sport.

Unser Land geht einen etwas anderen Weg und erlaubt fast überall das Windsurfen. Das ist ein ganz kleiner Lichtblick, der gerade zu Ostern gut tut. Die Korona strahlt warm und der Wind frischt auf, Zeit für etwas Neues. Ich hatte all die schönen bunten Bilder von Robby Naish gesehen, der mit einem Wing in der Hand ganz ohne Rigg, locker rumfoilt und offenbar viel Spaß hat. Das muss ich ausprobieren.

Das Glühen der Korona

Ich hatte beim Dealer meines Vertrauens (Surfshop24), der Dank Onlineshop auch in diesen Zeiten noch Material ranschaffen kann, ein Board, Foil und einen Naish Wing in der Größe 6qm bestellt. Das sieht schon seltsam aus. Das Board ähnelt eher einem Wellenreitbrett, der Foil ist riesig und tja... ein Rucksack mit einer Luftpumpe.

Niemals würde ich als Windsurfer etwas aufpumpen. Das machen nur die Leute, die sich über ihren Neo noch eine Boardshort ziehen. Aber es war zu spät, ich musste es probieren.

Ostermontag war es dann soweit. Der Wind sah mit 10-20 Knoten gut aus, die Korona sollte auch glühen, nur leider kam keine Wärme auf unserer Erde an. Es war mit 6 Grad arschkalt, nicht ideal zum Erlernen einer neuen Sportart. Wow, war wenig Material in meinem Auto, ein ganz neues befreiendes Gefühl. Board und Foil waren extrem schnell zusammengefügt.

Das Glühen der Korona

Tja, nun musste ich an die verhasste Luftpumpe. Ich breitete den Naish Wing aus, der ganz schön groß war. Das Einlassventil war schnell gefunden, gleiches Prinzip wie bei einem SUP-Board. Es gab jedoch ein kleines Stoppventil im Luftschlauch, das dazu dienen sollte, noch etwas Luft in einem Teil des Schlauches zu belassen, falls der Wing auf offener See kaputt gehen sollte - sehr clever.

Ein paar Mal kräftig gepumpt und der Wing nahm seine finale Form an. Das sah doch schon mal super aus, wenn es nur wärmer wäre. Nun schnell in den wintersteifen Neo und runter zum Strand des Cospudener Sees. Oh nein, da waren noch reichlich viele normale Surfer, die mir nun natürlich zuschauen würden. Ich hielt den Wing erst einmal am Ufer in den Wind. Sofort baute sich ein großer Zug auf.

Ein Trapez nutzt Robby nie beim Wing Foilen, also braucht man das wohl nicht. Die Haltung ist etwas anders als mit der normalen Windsurfgabel. Es gibt keine Gabel, sondern Griffe an denen man sich festhält. Im Wind verhielt sich der Flügel auch anders als ein Segel, aber um das genauer zu testen musste ich auf das Board.

Das Glühen der Korona

Die Korona versagte immer noch komplett - von Sonne keine Spur. Es blieb eiskalt und auch das Wasser war mit 5-6 Grad nicht gerade optimal zum Testen einer neuen Sportart. Den ganzen Winter hatte ich Youtube Videos betrachtet und wusste im Prinzip wie es gehen sollte. Also Boardleash am Bein festkletten und die Leash vom Wing am Arm festmachen. Das ist überlebenswichtig bei diesem Sport. Wer das ignoriert kann ganz ganz schnell in Seenot geraten.

Ich kletterte auf das Board und fiel gleich auf der anderen Seite wieder ins eiskalte Wasser. Man war das kalt und das Board kipplig. Der zweite Versuch klappte dann. Ich kniete auf dem Board und hob den Wing in die Höhe. Sofort fuhr das Board los. Cool. Oder nicht? Ach ja, ich muss ja bei dem Sport stehen.

Reichlich wackelig schaffte ich es aufzustehen und richtete den Wing aus. Der zog heftig und das Board nahm gleich Fahrt auf. Seltsames Gefühlt, ohne Mast, so zu Gleiten, aber es ging ohne Probleme. Ich übte das Steuern und eine Art Halse. Beides noch recht wackelig, aber es funktionierte.

Das Glühen der Korona

Nun drehte die Korona auf. Die Wolken verzogen sich, es wurde etwas wärmer und die Wellen sahen nicht mehr so böse aus. Zeit für den finalen Schritt. Ich zog ein paarmal am Wing, das Board wurde immer schneller und dann hob es sich aus dem Wasser. Was für ein geiles Gefühl! Plötzlich wurde der Wing ganz leicht und ich flog! Ja, das ist wirklich anders als Windsurfen oder Foilen, es ist eher wie Wellenreiten ohne Wellen.

Mein Selbstbewusstsein platzte förmlich. Es war Zeit mit dem Wing zu fliegen, Meter hoch, ganz nah an der Korona entlang. Ich sprang, flog... und klatschte mit einem heftigen Bauchplatscher in den eiskalten „Cossi“. Ich hatte komplett vergessen, das Board hatte ja gar keine Fußschlaufen und springen ist da eher suboptimal. Ikarus hätte seine Freude gehabt.

Als ich am Abend heimfuhr, glühte nicht nur die Korona, sondern jeder Muskel in meinem Körper. Lange hatte ich mich nicht mehr so ausgepowert - es tat verdammt gut. Diesen Sport werde ich zusätzlich zum normalen Surfen weitermachen, Corona sei Dank!

17.04.2020 © WING DAILY  |  Text: Philipp Kümpel  |  Fotos/Grafiken: Philipp Kümpel