Zukunftstechnologie: Wing-Performance
Dargestellt wird die Druckverteilung im Umfeld eines Wings (u. li.) und eines Flugzeugflügels (u. re.). Im Vergleich zeigt sich in der Simulation, dass ein geschlossener Flügel an seiner Unterseite deutlich weniger Turbulenzen erzeugt, als ein unten offenes Profil.

Zukunftstechnologie: Wing-Performance

Die Strömungsgeschwindigkeit der Luft um Wings ist vergleichbar mit der von sehr langsam fliegenden STOL-Flugzeugen. Ein Blick auf den Flugzeugbau lässt erahnen, was in Sachen Performance bei Wings in der Zukunft zu erwarten ist.

Wingsurfen ist in den Augen vieler Branchenkenner die nächste große Wassersportart, die die vorhandenen Gleitsportarten um eine neue Facette bereichert. Neu ist das Konzept des Wings aber nicht. Schon vor vielen Jahren wurde damit auf normalen Windsurfboards experimentiert. Die aufblasbaren Drachen aus dem Kite-Bereich und die Foils brachten dann aber den Durchbruch.

Wir haben uns gefragt, wieviel Potential für Weiterentwicklung in den Wings steckt.

Runde Front-Tube oder profilierte Anströmkante
Die große Front-Tube, die dem Flügel die Stabilität verleiht, ist eine Anleihe aus dem Kite-Bereich. Da sie aufblasbar ist, bezieht sie aus dem Luftdruck im Inneren viel Stabilität bei wenig Gewicht. Ein aktuelles Wing lässt sich leicht aufbauen und ist einfach im Handling. Im Prinzip besteht der Querschnitt eines Wings aber aus einem Rohr mit einem ziemlich großen Durchmesser, an das ein Tuch angenäht wurde. In der Praxis funktioniert das Konzept gut, aber wie stark würden Detailverbesserungen die aerodynamische Qualität und damit die Leistungsfähigkeit des Wings verbessern?

Die Aerodynamik ist in den Grundlagen mit langsam fliegenden Leichtflugzeugen vergleichbar, denn ein STOL-Flugzeug wie zum Beispiel die Zenair CH 701 kann auch bei 45 km/h noch fliegen. Das Profil einer Tragfläche sieht im Anschnitt(!) aber vollkommen anders aus, als die heutigen handelsüblichen Wings. Besonders auffällig ist der untere Bereich des Flügels und die Anströmkante. Wir haben in einem virtuellen Windkanal verschiedene Flügelprofile anströmen lassen und angesehen, was passiert, wenn Wings in Punkto Profil Anleihen aus dem Flugzeugbau nehmen würden.

Zukunftstechnologie: Wing-Performance
Oben Links: Wing mit sehr dicker Tube, oben rechts: Wing mit dünner Tube, unten links: Wing mit profilierter Anströmkante, unten rechts: kommerzielles Flügelprofil zum Vergleich. Es zeigt sich deutlich, wie stark der Durchmesser und die Form der Tube die Performance beeinflusst.

Unser Versuchsaufbau:
1.) Wing mit großem Tube-Durchmesser
2.) Wing mit kleinem Tube-Durchmesser
3.) Modifiziertes Wing: Tube mit profilierter Anströmkante
4.) Kommerzielles Flügelprofil zum Vergleich

Bei unserem Versuch sind die absoluten Werte und die Einheiten ausnahmsweise unwichtig. Viel wichtiger ist der Vergleich der Werte bei gleichem Anstellwinkel und gleicher Strömungsgeschwindigkeit im virtuellen Windkanal.

Wie erwartet, hat ein Wing mit einer besonders fetten Front-Tube die schlechteste Performance. Schon die Reduzierung des Tube-Durchmessers bringt in diesem Versuchsaufbau erheblich mehr Auftrieb bei weniger Wiederstand.

Spendiert man dem Wing dann noch eine aerodynamisch günstigere Anströmkante, steigt die Leistung weiter. Wie erwartet, kann das kommerzielle Flügelprofil hier besonders stark punkten. Es bietet beim geringsten Luftwiderstand und den höchsten Auftrieb.

Im Windsurfbereich hat man sich intensiv um eine gute Aerodynamik gekümmert. Große Masttaschen und Camber sind ein Resultat dieser Bemühungen. Im Vergleich zum Wing oder Kite hat ein Windsurfrigg allerdings einen erheblichen Vorteil: Der Mast hat einen sehr geringen Durchmesser und so kann auch ein Segel punkten, das keinen Camber hat. Man stelle sich nur zum Spaß einen Windsurfmast vor, der den Durchmesser der Front-Tube eines Wings hat...

Wichtig: Es geht hier nicht darum, die ideale Profiltiefe für das recht langsame Foiling zu bestimmen. Es soll gezeigt werden, wieviel Einfluss die Anströmkante und der weitere Profilverlauf auf die Performance haben.

Zukunftstechnologie: Wing-Performance
Eine schmale Anströmkante in Kombination mit einer weiten Masttasche ist bei Windsurf Regatten das momentane Maß der Dinge. Das vereinfachte Modell bestätigt die Erfahrungen aus der Praxis im virtuellen Windkanal.

Vortex Generatoren
Sehr effektiv werden bei langsam fliegenden Flugzeugen Vortex Generatoren eingesetzt. Auf den Flügel aufgeklebte Mini-Finnen sorgen dafür, dass die Strömung etwas verwirbelt wird. Dadurch liegt sie bei extremen Anströmwinkeln im Langsamflug länger am Flügel an. (Reißt die Strömung ab, kommt es zum Stall. Der Flügel verrichtet seine Arbeit nicht mehr und das Flugzeug sackt durch.)

Auf das Wingen übersetzt heißt das, dass Vortex Generatoren helfen könnten, damit der Flügel auch bei einem schlechtem Anströmwinkel Vor- bzw. Auftrieb erzeugt. Er müsste dann laut Theorie früher und länger fliegen.

Zukunftstechnologie: Wing-Performance
Bild links: Die Zenair CH 701 fliegt auch noch bei 45 km/h, Bild rechts: Aufgeklebte Vortex Generatoren helfen bei Flugzeugen die mögliche Fluggeschwindigkeit zu minimieren. Ein mit Vortex Generatoren ausgestatteter Flügel funktioniert noch, wenn an einem Flügel ohne die Vortex Generatoren die Strömung schon abgerissen wäre.

Bilder: Ahunt at English Wikipedia - Own work, Public Domain, Link
FlugKerl2 - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Mehr Fläche durch Doppeldecker?
Eine Herausforderung beim Design von Wings ist, dass ein gestreckter Flügel durch das mittige Halten schnell mit einem Ende im Wasser schleift. Um den Flügel kurz zu halten, könnte auch ein Doppeldecker-Design eine Möglichkeit sein.

Es wird in Zukunft äußerst spannend zu sehen sein, welche Innovation aus dem Flugzeugbau tatsächlich übernommen werden können.

22.04.2021 © WING DAILY  |  Text: Christian Tillmanns  |  Fotos/Grafiken: Christian Tillmanns, Fanatic / Si Crowther